Pontormo und Rosso Fiorentino im Palazzo Strozzi
Manierismus ist sicherlich eine der schillerndsten und umstrittensten Stil-Konstruktionen der Kunstgeschichte. Wie jede Epochen-Konstruktion birgt sie dabei das Risiko in sich, die einzelnen Künstler im Koordinatensystem des Stiles festzulegen und das mit Verlust an Sensibilität für die sie auszeichnenden Qualitäten und Eigentümlichkeiten zu bezahlen. Ein Risiko besonders verheerend, so sehen es die Kuratoren dieser Ausstellung, bei den beiden außerordentlichen Künstlern, denen diese Ausstellung gewidmet ist und die gerne als die Pioniere des Manierismus gehandelt werden.
Verschiedene Straßen
Absicht der Ausstellung im Palazzo Strozzi ist es, die Besucher bei der Wiederentdeckung von Jacopo Pontormo und seinem als Rosso Fiorentino berühmt gewordenen Zeitgenossen zu begleiten und auf diesem Wege auch die über die Anfänge der ‘maniera moderna’, des ‘neuen Stils’, zu reflektieren – in einem gewissen Sinne der Besuch in einem Spiegelkabinett, in dem sich die beiden Künstler wechselseitig beleuchten. Pontormo und Rosso wurden beide im selben Jahr geboren und sind in ihrer Jugend von der kulturell lebendigen Atmosphäre der Florentiner Republik unter Soderini geprägt worden; doch die künstlerischen Ausformungen, die durchaus vergleichbare Einflüsse fanden, weisen nicht selten einen geradezu gegensätzlichen Charakter auf. Beide waren Kinder einer Zeit, die tiefgreifende historische Umwälzungen auf lokaler, wie internationaler Ebene gekannt hat: das Ende der Florentiner Republik, die Lutherische Reformation, die Plünderung Roms durch die kaiserlichen Truppen und die endgültige Machtübernahme in Florenz durch die Familie Medici.
Unterwegs mit Andrea
Die beiden Künstler waren noch sehr jung, allerdings sicher keine unbeschriebenen Blätter mehr, als sie in die Werkstatt von Andrea del Sarto eintraten, der damals an Fresken im Vorhof der Servitenkirche von SS. Annunziata arbeitete. Und mit Andrea del Sarto gingen die Beiden, so eine Hypothese, die heute fast als Sicherheit gehandelt wird, im Jahr 1511 nach Rom. Sie gewannen eine Idee von der antiken Welt, die ihnen Florenz nicht vermitteln konnte und konnten die jüngsten Werke ihrer großen Zeitgenossen Michelangelo und Raffael studieren. Jeder der drei bringt Anderes mit nach Hause. Unter den beiden jüngeren, ist Pontormo, offenbar von Raffael besonders fasziniert gewesen, von einer künstlerischen Sprache, die Natürlichkeit und Grandiosität zu verbinden wußte, während bei Rosso die neuen Erfahrungen durch seine enge Verbundenheit mit der Florentiner Tradition der Frührenaissance und ihre, auch intellektuelle Klarheit und Unmittelbarkeit gebrochen werden.
Zwischen Donatello und Dürer
Nach diesen gemeinsamen Erfahrungen führen die Straßen immer weiter auseinander: Pontomo wird Florenz nicht mehr verlassen, führt ein, für einen erfolgreichen Künstler, der er war, überraschend zurückgezogenes Leben, an dem nur wenige Personen Anteil hatten. Neben Arbeiten für Kirchen und Privatpersonen sind viele seiner Arbeiten, wie die Fresken in Poggio a Caiano mit den Medici und ihrem dynastischen Aufstieg verbunden. Rosso hingegen wird ein unruhiges Reiseleben beginnen, zwischen Florenz, der toskanischen Provinz, Rom und möglicherweise Neapel. Seine Arbeiten zeichnen sich durch eine manchmal archaische Strenge, aber auch kühne Einfälle und eine überraschende, malerische Freiheit aus. Als noch nicht 30-jähriger kehrt Rosso für ein paar Jahre ein letztes Mal nach Florenz zurück und hinterlässt einige seiner Meisterwerke, darunter das ‚Verlöbnis Mariens’, reich an platonischen und kabbalistischen Einflüssen, während Pontormo seine Arbeiten in der Abgeschiedenheit der Florentiner Kartause bei Galuzzo dazu nutzt, sein Studium der deutschen Kunst, insbesondere von Dürer zu vertiefen.
Wendungen und Nachleben
Zum Abschluss fehlen auch überraschende Wendungen nicht: Rosso Fiorentino, der 1527 Zeuge der verheerenden Plünderung von Rom war, verliert alles, wird gefangengesetzt, entflieht über verschiedene Zwischenstationen, darunter zuletzt Venedig, den Wirren Italiens, um in Frankreich am königlichen Hof zu einem der erfolgreichsten Künstler seiner Epoche zu werden. Hier sind es seine Florentiner Herkunft und seine Vertrautheit mit dem Werk Michelangelos, die ihm Tür und Tor öffnen und die schulbildend wirken. Auf der anderen Seite sind eigentlich alle großen Werke des späteren Pontormo verloren gegangen, wofür auch ein eifersüchtiger und selbstgefälliger Vasari verantwortlich zeichnet, mit seiner Strategie der Florentiner Kunst, eine akademische Identität zu geben: hier sind es die Zeichnungen und die Portraits, die von einer großen und komplexen Künstlerpersönlichkeit künden und die nach seinen Vorlagen ausgeführten Gobelins der Mediceischen Hofmanufaktur.
Führungen in der Ausstellung und in der Stadt
Zwischen fast unbekannten Werken, bedeutenden Restaurierungen, den selten zu sehenden Zeichnungen und außerordentlichen Portraits ist die Ausstellung ein Muss für jeden, der vor Ende der Ausstellung im Juni, seinen Weg nach Florenz findet. Wenn Sie die Ausstellung mit einem qualifizierten Führer besuchen wollen, um die Geschichte von und um Pontormo und Rosso vertiefen zu können, wenden Sie sich an uns, wie auch wenn Sie andere Orte, die mit den Protagonisten der ‘maniera’ in Verbindung stehen (Capponi-Kapelle in Santa Felicita, Palazzo Vecchio, die Kartause, San Lorenzo), besuchen wollen: wir entwickeln gerne einen die Ausstellung ergänzenden Rundgang.
Praktische Hinweise
Die Webseite des Palazzo Strozzi (in Englisch) gibt alle Informationen zu Öffnungszeiten und Aktivitäten, die mit der Ausstelllung verbunden sind.
Und noch zwei Hinweise: wer eine Uffizien-Eintrittskarte hat, hat eine Ermäßigung von 50 % beim Besuch der Ausstellung und am Donnerstag Abend heisst die Devise: zwei Tickets zum Preis von einem.