Plautilla Nelli – Nonne und Malerin
Gerade passend zum Welt-Frauen-Tag am 8. März ist in den Uffizien eine kleine Ausstellung eröffnet worden, in deren Zentrum die Dominikaner-Nonne und Malerin Plautilla Nelli steht. Die Ausstellung beabsichtigt nicht, einen Gesamt-Überblick über das Schaffen von Suor Plautilla zu geben, dessen Rekonstruktion in einem gewissem Sinn erst in seinen Anfängen steht. Zwar ist die Künstlerin schon im Umfeld der feministischen Kunstwissenschaft in den 70er Jahren wiederentdeckt worden; eine spezifische Forschung hat sich ihrer aber eigentlich erst im neuen Jahrtausend angenommen. Im Übrigen ‚fehlen‘ in der Ausstellung auch gerade die bekanntesten Werke, wie etwa die grosse Altartafel mit der „Beweinung Christi“, die im Museum von San Marco geblieben ist. Thema der Ausstellung ist ein, allerdings zentraler Zusammenhang, ohne den ihre künstlerische Identität nicht denkbar ist: „Klösterliche Kunst und Frömmigkeit in der Nachfolge Savonarolas“ wie der Untertitel der Ausstellung lautet.
Leben
Als Polissena Nelli 1524 in einer alten Florentiner Familie geboren, gilt Nelli als erste, dokumentarisch fassbare Florentiner Künstlerin, von der sich Werke erhalten haben. Nach dem frühen Tod der Mutter und der zweiten Heirat des Vaters, wurde das 14-jährige Mädchen 1538 dem Dominikanerinnenkloster S. Caterina da Siena in Florenz anvertraut, in dem schon die ältere Schwester Costanza lebte. Hier nahm sie den Nonnennamen Plautilla an und verbrachte ihr zukünftiges Leben unter dem strengen Reglement eines Klosters, das disziplinarisch dem berühmten ‚Savonarola’-Kloster von San Marco unterstand. Hier wird Suor Plautilla in späteren Jahren mehrfach die Rolle der Priorin bekleiden und hier wird sie 1588 im Alter von 64 Jahren sterben.
Ausbildung und Einflüsse
Die wichtigsten zeitgenössischen Hinweise auf die künstlerische Ausbildung von Suor Plautilla verdanken wir den ‚Viten’ Vasaris und dem Dominikaner-Chronisten Serafino Razzi. Danach erlernte die Malerin die Grundlagen ihrer Kunst eigenständig, indem sie die Werke anderer kopierte. Sicherlich fand sie aber im Umfeld der Dominikaner von San Marco, das von der Figur Savonarolas geprägt war, ein Milieu, das einen wachen Sinn für die Möglichkeiten und die Bedeutung künstlerischer Produktion hatte. Bezeichnend genug, dass ihr ein Gutteil des zeichnerischen Nachlasses des bedeutenden Dominikaner-Malers und Savonarola-Anhaengers Fra Bartolomeo durch Fra Paolino, dessen vertrautesten Schüler, vermacht wurde. So ist es im Besonderen der Einfluss Fra Bartolomeos, der sich in ihrem Werk bemerkbar macht. Von grosser Bedeutung fuer ihre Orientierung und Formation sind aber ganz offenkundig auch graphische Reproduktionen, unter anderen von Werken Leonardos, Raffaels und Michelangelos gewesen.
Werke
Die künstlerische Produktion Nellis, von der sicherlich nur ein Bruchteil erhalten und/oder identifiziert worden ist, reicht von Zeichnungen, kleineren Devotions-Tafeln, grossen Altarbildern bis hin zu dem riesigen, von der Malerin signierten ‚Letzten Abendmahl’, das einst das Refektorium ihres Mutter-Klosters zierte und derzeit restauriert wird, um in Zukunft im Museum von Santa Maria Novella der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden. Vasari folgend, muss die Malerin auch außerhalb des klösterlichen Milieus mit ihren Werken einen beachtlichen Erfolg gehabt haben, so dass es scheint, dass sie, die sich selber der künstlerischen Ausbildung einer ganzen Reihe von jungen Nonnen widmete, auch eine unternehmerische Begabung hatte. Auch wenn nicht Thema der Ausstellung, so ist gut dokumentiert, welche grosse Bedeutung die Malerin auch fuer die Finanzen des Klosters gewann.
Möglichkeiten und Grenzen
Die Ausstellung ist in Räumen untergebracht, die nur von den Museums-Sälen des ersten Stockwerks aus zugänglich sind, in denen die Meisterwerke des Florentiner Manierismus gezeigt werden und ist damit gleichsam chronologisch in die ständigen Sammlungen eingeordnet.
Gerade diese zeitliche Einbindung akzentuiert den Konservatismus der Nonnen-Künstlerin gegenüber den künstlerischen Experimenten ihrer Epoche. Und hierfür ist nur zum Teil ihre autodidaktische Formation verantwortlich. Diese hat sicherlich ihren Anteil an dem qualitativen Abstand zu ihren berühmten Zeitgenossen; in letzter Instanz aber finden die Kennzeichen ihrer Kunst ihre Entsprechung in dem klösterlichen Umfeld, in dem ihre künstlerische Produktion reifte und ihre Verwirklichung fand. Es sind Werke aus einer Welt und für eine Welt, in der andere Kriterien herrschten und propagiert wurden, als diejenigen, die „da draußen“ bestimmend waren. Ein Milieu, das einem talentierten Mädchen, das nicht aus einer Künstlerfamilie stammte, „da draußen“ undenkbare Entwicklungsmöglichkeiten eröffnete, diesen Möglichkeiten aber auch eine präzise Orientierung gab und enge Grenzen setzte. Und in dieser Spannung gewinnt diese Malerei ihre eigene Wirklichkeit und Würde. Und hier liegt ihr besonderes Interesse.
Klösterliche Kunst
Nicht umsonst wird die Ausstellung durch ein reich mit Silber- und Goldfäden besticktes Antependium aus dem bedeutenden Dominikanerinnenkloster S. Vincenzo in Prato eröffnet, das indem es auf andere Bereiche weiblicher Kreativität in den Klöstern verweist, daran erinnert, dass Anonymität, demütige Zurücknahme im Zeichen von Gottesverehrung und Frömmigkeit über Jahrhunderte geradezu Kennzeichen und Konditionen dieser Kreativität gewesen sind.
Katharina von Siena: Braut Christi und Vorbild
Dem Antependium gegenüber sind vier kleine Devotions-Tafeln zu sehen, die ein Brustbild der Hl. Katharina von Siena zeigen. Die Tafeln sind fast identisch. Bei drei von Ihnen ist dieselbe Vorzeichnung übertragen worden. Ein offenbar erfolgreicher Bildtypus von hohem Identifikationswert.
Die jugendliche, in Profil dargestellte Heilige ist in dominikanischer Ordenstracht gekleidet. Sie hat den Blick auf einen Kruzifix gesenkt, den sie zusammen mit einer Lilie in einer Hand hält. Sie selber ist durch die Wundmale Christi ausgezeichnet: auf ihren in Demutsgestus gekreuzten Händen sind die Handwunden und durch eine Öffnung im Ordenskleid ist die Seitenwunde zu sehen.
Tränen
Und die Heilige weint: zwei weiß-schimmernde, fast wie Reiskörner erscheinende Tränen gleiten längs ihrer Nase hinab. Sind die Wundmale außerordentliche, die Heilige auszeichnende Merkmale einer mystischen Erfahrung, so sind die Tränen, jedem vertraute Signale starken emotionalen Erlebens. Als Ausdruck des Inneren, als Beleg, dass das Gesehene zum Erlebten geworden ist und sich in mitleidende Empfindung verwandelt hat, sind die Tränen, das eigentliche Ereignis dieser Tafeln.
Catarina de‘ Ricci
Im Klosterzusammenhang haben diese Bilder – fast wie neuzeitliche Ikonen – ihre Bildkraft nie verloren: auf einigen der Täfelchen ist sogar zu erkennen, dass die Hl. Katherina von Siena, wohl im 18. Jahrhundert, durch Manipulationen an der sie identifizierenden Inschrift zur Prateser Dominikanerin Caterina de’ Ricci, einer Zeitgenossin von Plautilla Nelli, umgedeutet worden ist.