Luther, Cranach und Dürer
Auch in Florenz ist das 500. Jubiläum der lutherischen Reformation Anlass für eine ganze Reihe von Initiativen gewesen: war im April die Grünfläche vor der am Arno-Ufer liegenden Protestantischen Kirche mit offizieller Zeremonie zum Giardino Martin Lutero umbenannt worden, so ist Ende Oktober – pünktlich zum Reformationstag – in den gegenüberliegenden Uffizien eine kleine Ausstellung mit Werken aus den Florentiner Sammlungen eröffnet worden: ‘Die Gesichter der Reformation. Luther und Cranach in den Mediceischen Sammlungen ‘ (31.10.2017-07.01.2018). Was zu sehen ist, ist die Ausbeute einer thematischen Sichtung im Besonderen der malerischen und graphischen Bestände der Uffizien, die ihre – im Fall der Melanchthon-Zeichnung von Dürer – außerordentliche Bereicherung durch Leihgaben auch anderer Florentiner Kulturinstitute erfahren hat.
Die Ausstellung bietet den Rahmen, um fast unbekannte Schätze aus dem reichen Fundus der graphischen Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, zum Anderen liefert sie aber auch die Gelegenheit, um sich über die Empfänglichkeit des Florentiner Milieus gegenüber Ideen und Bildern aus dem Norden Gedanken zu machen.
‚Ikonen‘ der Reformation
Zu den alten mediceischen Beständen gehören einige ‚Ikonen‘ der neuen, reformierten Kirche, die in der Ausstellung zu sehen sind: ein Porträt-Paar von Martin Luther und Philipp Melanchthon sowie die Bildnisse von Luther und seiner Frau Katharina von Bora; die Porträts von Friedrich III. von Sachsen und seines Bruders Johannes, den Kurfürsten von Sachsen, die als politische Unterstützer der Reformation hervortraten, hingegen haben ihren Weg im 17. Jahrhundert über Urbino nach Florenz gefunden.
Cranach und Luther
All diese Bilder vereint ihre Herkunft aus der außerordentlich produktiven Werkstatt von Lucas Cranach dem Älteren, dem offiziellen Maler der neuen religiösen Bewegung. Die besondere Konzentration dieser Bildgegenstände in den Mediceischen Sammlungen, ist sicherlich nicht zuletzt der Effizienz der Lutherischen Propagandamaschine zu verdanken. In der Tat, ebenso wie die Bibelübersetzungen – die von Luther selber und seinen engsten Mitarbeitern betreut und im Sinne der größtmöglichen Verbreitung, den verschiedenen Alphabetisierungsniveaus angepasst wurden – einer aufmerksamen Sprach- und Bilderpolitik entsprachen, befasste sich Lucas Cranach, persönlicher Freund Luthers und Hofmaler Friedrichs des Weisen, im künstlerischen Bereich mit der Herstellung von verschiedenartigen Werken, die als Manifeste des neuen Glaubens zirkulieren sollten.
So zeichnete Cranach, der selber Anhänger Luthers und seines Programms war, auch fuer die offizielle Porträt-Ikonographie der Leiter der Bewegung verantwortlich, die sich nicht zuletzt durch ihre Schlichtheit auszeichnet. In den Florentiner Sammlungen sind neben den Originalprodukten der Cranach-Werkstatt auch spätere, italienische Kopien präsent, die den prägenden Erfolg der Prototypen unterstreichen.
Dürers Melanchthon
Gegenüber der gezielt hieratischen Strenge der Bildlösungen Cranachs, besticht die im Museum Horne aufbewahrte wunderschöne Dürer-Zeichnung, die den noch jugendlichen Melanchthon zeigt, durch die emotive Frische, die Dürer diesem Profilbildnis zu geben weiß. Die Zeichnung hat dem berühmten, ebenfalls in der Ausstellung vertretenen Kupferstich als Vorlage gedient, in dem – bereichert durch eine in Latein abgefasste Inschriftentafel – Melanchthons Geisteskraft in römischen Kapitallettern geadelt wird.
Bibel-Illustrationen
Cranach entwickelte im Laufe der Zeit auch graphische Bild-Versionen zur Illustration der protestantischen Ausgaben der heiligen Schriften, die teilweise von ihm selbst verlegt wurden. In der Ausstellung sind zum ersten Mal neben einigen Einzelblättern, drei graphische Zyklen aus den Beständen des graphischen Sammlung zu sehen, die sich durch ihre außerordentliche Qualität auszeichnen und die religiöse Themen wie die Passion Christi, die Apostel und die Martyrien der Apostel behandeln. In seiner Holzschnittproduktion hatte sich Cranach an Dürer zu messen, von dem er sich zwar anregen ließ, jedoch immer seine originelle Lösungen fand: die Ausstellung gestattet es, einige Lösungen, die die beiden Künstler für gleiche Themen fanden, nebeneinander zu betrachten.
Antipäpstliche Polemik
Die Produktion allegorischer Holzschnitte, die in satirischer Weise gegen die Spitzenvertreter der Papstkirche polemisieren – und die in den mediceischen Sammlungen gänzlich fehlen – ist in der Ausstellung durch ein berühmtes, von Luther und Melanchthon verfasstes und von Cranach illustriertes Büchlein vertreten: Deüttung der zwu grewlichen figuren Bapstesels zu Rom vnnd Münchkalbs zu Freyberg in Meyssen funde; ein Genre, dass über gut ein Jahrhundert florierte und das eine Gegenreaktion von vergleichbarer Vehemenz nach sich ziehen sollte.
Florenz zwischen Reform und Inquisition
Teil der Ausstellung sind auch Porträts von Persönlichkeiten der Florentiner Gesellschaft, die angesichts ihres Interesses für die neuen religiösen Lehren mit der Inquisition in Konflikt kommen, bzw. deren Opfer werden sollten: Pietro Carnesecchi ist mit dem Bildnis von Domenico Puligo und Bartolomeo Panciatichi mit dem berühmten Porträt von Agnolo Bronzino vertreten. Die Florentiner Atmosphäre der Vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts, – in einer Phase also, in der die Spannungen zwischen dem Medici-Herzog Cosimo I. und dem Farnese-Papst Paul III. ihren Höhepunkt erreichten – war in der Tat von grossem Interesse an den neuen Glaubenssätzen charakterisiert, die unter den Literaten, Künstlern, höfischen Würdenträgern, Bischöfen und Mitgliedern der Florentiner Akademie zirkulierten.
Verteufelte Bilder
Zu den Kuriositäten der Ausstellung gehört das Werk eines anonymen Florentiner Malers des 17. Jahrhunderts, das einige zum Teil groteske Gestalten um eine gedeckte Tafel zeigt, in denen man im frühen 18. Jahrhundert Luther, Melanchthon und ihre Gattinnen – sinnigerweise in Teufelsbegleitung – zu erkennen meinte. Nicht zu vergessen auch, dass noch in habsburgischer Zeit das als Konzert berühmte allegorische Halbfigurengemälde Tizians dank einer heute ähnlich schwer nachvollziehbaren Identifizierung von zwei der dargestellten Musiker als Luther und Calvin aus der Bel Etage im Palazzo Pitti in die Mansarde emigrieren musste.