Leopoldo de‘ Medici – Der Prinz der Sammler
Zum Geburtstag viel Glück…
Zum vierhundertsten Mal hat sich in diesem Jahr der Geburtstag von Leopoldo de’ Medici (1617-1675) gejährt, der sicherlich zu den interessantesten Persönlichkeiten der Familie Medici im 17. Jahrhundert gehört. Aus diesem Anlass ist im Palazzo Pitti eine Ausstellung organisiert worden, die vom 7.11.2017 bis zum 25.2.2018 in den ehemaligen grossherzoglichen Sommergemächern im Palazzo Pitti zu sehen ist und die die Facetten dieser vielfältigen Figur in Erinnerung rufen und ins rechte Licht rücken möchte. Gezeigt werden eine Vielzahl von außerordentlichen Gegenständen aus den Sammlungen Leopolds, die vielleicht am Besten die Komplexität der Persönlichkeit zum Ausdruck bringen. Am Geburtstag Leopoldos, dem 7. November ist die Ausstellung unter Absingung der italienischen Version des internationalen Geburtstagsständchens offiziell eröffnet worden.
Leopoldo – Vom Gouverneur in Siena zum Familien-Kardinal
Letztgeborener der fünf Söhne von Großherzog Cosimo II. und Maria Magdalena von Österreich mag seine dynastisch wenig exponierte Position für eine im Vergleich zu den Brüdern freiere, aber gleichwohl sehr sorgfältige Erziehung verantwortlich gewesen sein. Sicherlich für sein späteres ausgeprägtes wissenschaftliches Interesse wegweisend, dass dabei Galilei-Schüler eine bedeutende Rolle spielten.
Wie auch seine anderen Brüder von dem sehr jung zum Großherzog gewordenen Thronerben Ferdinando aktiv in die toskanische Politik einbezogen, war er Mitglied des Kronrats und nach dem Tod seines Bruders Mattias Gouverneur von Siena. Der Familientradition entsprechend, nach der, wenn irgend möglich, jede Generation ihren Kardinal in Rom haben sollte, übernahm er 1667, nach dem Tod seines Bruders Giovan Carlo, diese Rolle und sicherte in privilegierter Position den Informationsfluss aus Rom sowie den Mediceischen Einfluss am päpstlichen Hof.
Kulturinitiativen: Platonische Akademie – Sprachakademie – Experimentelle Physik
Im Besonderen in Erinnerung geblieben aber ist der Kardinal Leopoldo dank seiner kulturellen Interessen und Initiativen. Auf ihn geht – in Anknüpfung an die Kulturpolitik Lorenzos des Prächtigen – das kurzzeitige Wiederaufleben der Platonischen Akademie in Florenz zurück; Erwähnung verdient auch seine aktive Mitgliedschaft in der als Accademia della Crusca berühmten Sprachakademie, deren Wörterbuch er mit zahlreichen Beiträgen belieferte; sicherlich aber sein bedeutendster Beitrag zur Akademie-Kultur der Zeit stellt die Gründung und Förderung der Accademia del Cimento (Akademie des Experiments) dar, deren Vorsitz Leopoldo bis zu seiner Ernennung zum Kardinal führte. Unter dem Motto provare e riprovare – versuchen und wieder versuchen hielt dieser von der experimentellen Methodik Galileos geprägte Zusammenschluss seine Sitzungen im Palazzo Pitti oder in anderen Mediceischen Residenzen. In ständigem Austausch mit den grossen Akademien in London und Paris, standen Themen wie der Luftdruck, die Auswirkungen des Vakuums, das Gefrieren von Flüssigkeiten, di Eigenschaften der Wärme, die Expansion des Schalls und des Lichts sowie magnetische Phänomene und elektrische Anziehungskraft im Zentrum des Interesses. Orientiert an einer experimentellen Behandlung der Probleme, spekulative Vorgehensweisen ablehnend, mit einem besonderen Interesse an der Herstellung von geeigneten Versuchsinstrumentarium und der Definition von verlässlichen Mess-Einheiten, gilt die Accademia del Cimento als erste europäische Akademie experimenteller Physik. Etliche der in der Akademie entwickelten Instrumente sind heute im Museo Galileo Galilei zu bewundern.
Unermüdlicher und raffinierter Sammler
Gelehrtenfigur enzyklopädischen Zuschnitts zeichnet sich Leopoldo de‘ Medici im Panorama der europäischen Sammlungsgeschichte durch die Weite seiner Interessen und die Vielfältigkeit der von ihm zusammengestellten Sammlungen aus. Auf versierte Agenten, Kunsthändler und Berater im In- und Ausland sich stützend, vereinte er im Laufe seines Lebens eine Vielfalt von außerordentlichen, seine Raffinesse verratenden Gegenständen aus den verschiedensten Bereichen: antike wie moderne Skulpturen, Münzen, Medaillen, Kameen, Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphik, Elfenbeinarbeiten, Halbedelsteine und Schmuckgegenstände, Porträts großen wie kleinen Formats, Bücher, wissenschaftliche Instrumente und Naturkuriositäten. Nach Ansicht des Direktors der Uffizien Eike Schmidt war der Kardinal – einer der unersättlichsten Sammler nicht nur der Florentiner und Mediceischen sondern der europäischen Geschichte – von einer allumfassenden Leidenschaft für die Kunst getrieben. „Bei seinen Erwerbungen leitete ihn eine fast visionäre Genialität, die ihn dazu brachte der Sammelleidenschaft gänzlich neue Kontinente zu erschließen und diese nicht nur seinen Sammlungen einzuverleiben, sondern auch mit allerfeinstem museologischen Gespür zu organisieren.“ So geht auf Leopoldo de’ Medici unter anderem auch die Selbstbildnissammlung der Uffizien zurück, die noch heute angesichts ihres Charakters, ihrer Dimensionen und ihrer Qualität einzig in der Welt dasteht.
Zweimal Leopoldo
Teil der Ausstellung sind auch zwei faszinierende Gemälde, die Leopoldo de’ Medici selber darstellen: eines ist ein spektakuläres Kinderporträt, das anlässlich der Ausstellung als Leihgabe aus dem tschechischen Schloss Konopiště seinen Weg nach Florenz zurückgefunden hat, das andere hingegen, Teil der Sammlungen der Uffizien, ist ein Meisterwerk der barocken Porträt-Malerei und zeigt den schon von ersten Anzeichen des Alters und Krankheiten charakterisierten Kardinal.
Ein Junge hoch zu Ross
Das Justus Sustermans zugeschriebene, fast lebensgroße Gemälde aus Konopiště zeigt den etwa vier-jährigen Leopoldo hoch zu Ross – und auf was für einem Ross: schwer zu entscheiden, wer auf diesem Porträt wichtiger war, das in polnischer Tracht ausstaffierte Kind oder der prächtig aufgeputzte, edle Schimmel mit seiner langen, seidigen Mähne! Zwei Welten nebeneinander, wie eine Collage montiert – nur mühsam zu einer Erzählung verklammert durch den weissen Schaum, der sich vor dem Maul des Tieres gebildet hat und auf einen vom jugendlichen Reiter dominierten Ritt hindeuten könnte. In seiner Kuriosität fast magisch: dieses aufmerksam den Betrachter musternde Kind und dieses große, ruhig dastehende Pferd, mit seinem von der weichen, weissen Mähne verschleierten Kopf und seinem gesenkten und verschatteten Auge – als ob es seinen Träumen verloren wäre.
Der Kardinal
Wohl die berühmteste Darstellung Leopoldo de Medicis ist über Jahrzehnte nur den Besuchern des (nunmehr geschlossenen) Vasarianischen Korridors zugänglich gewesen: ein ausserordentliches Porträt, das dem als Baciccio bekannten römischen Barockmaler Giovanni Battista Gaulli zu verdanken ist und das Leopoldo de Medici im Kardinalsgewand zeigt. Die Figur des Kardinals löst sich in einer Dreivierteldrehung aus dem dunklen Hintergrund heraus und wendet – angekündigt von der Drehung der ihr Gegenüber musternden, dunklen Augen – ihr blasses, leicht gerötetes Gesicht dem Betrachter zu. Der Kopf des Kardinals ist von dem purpurnen Pileolus bedeckt, während er mit seiner kleinen, feingliedrigen Hand sein rotes Barrett vor der Brust hält. Die rote Amtstracht nimmt Gaulli zum Anlass einer Sinfonie in Rot, die sich im Inkarnat des Porträtierten über Rosa bis hin zu Weiss aufhellt. Das Situative, die angedeutete Bewegung, der leicht geöffnete Mund, die skizzenhaft behandelte Hand verleihen dem Bild einen entschieden privateren Charakter als man auf den ersten Blick wahrnehmen mag. Und bei genauerer Betrachtung gewinnt die Darstellung sogar etwas überraschend intimes, das man als Sympathie begreifen könnte. In dem nicht schönen, unverkennbar habsburgischen Gesicht mit vorspringendem, schweren Kinn, vortretender Unterlippe und grosser Nase weiß der Künstler in der Tat gepaart mit der Fragilität des Alterns die ausserordentliche Sensibilität und wache Intelligenz seines Gegenübers zu erfassen.
Schauplatz Uffizien
Und auch die Uffizien leisten ihren kleinen Beitrag zur Erinnerung an den Jubilar: die Gemälde, die ursprünglich Teil seiner Sammlung waren und heute die Wände des bedeutendsten Florentiner Museums schmücken, sind als solche kenntlich gemacht worden, um auf diese Weise die Bedeutung seines Beitrags zur Florentiner Sammlungsgeschichte jedem Besucher vor Augen zu führen. Und im nächsten Jahr soll dann auch zumindest ein Teil der Selbstbildnis-Sammlung wieder in die Uffizien einziehen, wo sie bis zur Neuorganisation des Museums im 18. Jahrhundert ihren eigenen, von einer Marmorskulptur des Kardinals Leopoldo bereicherten Raum hatten. (M.F)