H – wie HINDEMITH
PAUL HINDEMITH
In den 30er Jahren etablierte sich Florenz mit der Gründung des ‘Maggio Musicale Fiorentino’ (1933) als bedeutendes Zentrum des internationalen Musik-Lebens. Berühmte Regisseure, Dirigenten, Sänger, Komponisten und bildende Künstler stellten sich alljährlich zu einem Festival ein, das nicht zuletzt Forum für Wiederentdeckungen und Werke zeitgenössischer Komponisten sein wollte.
Paul Hindemith, dessen Werke seit 1934 im deutschen Rundfunk mit Sendeverbot belegt waren, war vom russischen Choreographen und Tänzer Léonide Massine auf die Möglichkeiten einer Koproduktion für das von ihm geleitete ‚Ballet Russe de Monte Carlo‘ angesprochen worden. 1937 trafen sich die Beiden in Florenz. Bei einem Besuch der Kirche Santa Croce wurde Hindemith so nachhaltig von den Franziskus-Fresken Giottos in der Bardi-Kapelle beeindruckt, dass er Massine zum Besuch der Kappelle drängte und eine Projektidee Gestalt annahm: ein Ballett, in dessen Zentrum der Heilige aus Assisi stehen sollte. Die Fresken Giottos gehören zu dessen späteren Werken und zeichnen sich in den sechs aus der Vita ausgewählten Szenen durch eine fast klassisch wirkende, verhaltene Erzählweise aus.
Trotz anfänglicher Zweifel von Massine, der zwar die Bewunderung von Hindemith angesichts der „spirituellen Schönheit“ der Fresken teilte, allerdings Probleme für eine choreographische Umsetzung des Stoffes voraussah, nahm das Projekt noch im Sommer desselben Jahres in Positano, wo die beiden einen intensiven Arbeitsurlaub verbrachten, konkretere Formen an. Basierend auf dem gemeinsamen Skript wurde der ‚Saint Francis‘, wie der ursprüngliche Titel des Werkes lautete, im Juli 1938 in London uraufgeführt und dann als ‚Nobilissima Visione’ veröffentlicht – eine ‚Tanzlegende in sechs Bildern‘ wie es im Untertitel heisst.
Im Zentrum steht der Verwandlungsprozess des jungen, aus reichem Hause stammenden Franziskus, der gestärkt durch die Erscheinung der drei Tugenden Keuschheit, Gehorsam und Armut, seine Fremdheit gegenüber seinem Milieu erkennt und als Gemahl der Armut, seiner Vision einer brüderlichen Gemeinschaft zur Verwirklichung verhilft. Seine italienische Uraufführung erfuhr das Werk 1939 in Florenz und zwar im Rahmen des ‚Maggio Musicale’, während es zur deutschen Uraufführung erst im Juni 1946 in Hamburg kam.