Der Frühling der Renaissance
Eine andere Renaissance-Ausstellung
In den Massenmedien und in der Massenkultur tendiert man oft dazu, die Renaissance mit Botticelli, Leonardo da Vinci und Michelangelo zu identifizieren, was Ergebnis einer eingeengten Perspektive ist und eine gewisse Verwirrung schafft. Das Ziel der Ausstellung, die derzeit im Palazzo Strozzi zu sehen ist, ist es, zu klären, wie und wann die Renaissance eigentlich begann.
Am Anfang war die Skulptur
Und in diesem Anspruch liegt auch der Grund, warum die Ausstellung sich besonders auf die Skulptur konzentriert: die römischen Inspirationsmodelle waren vor allem Skulpturen (neben den Büchern natürlich); außerdem hatte die Skulptur – und hat auch heute noch – eine starke öffentliche Dimension: Fassaden, sei es von zivilen oder religiösen Gebäuden wurden zum Ort, an dem sich die künstlerische Erfindungskraft von Bildhauern und Architekten konfrontierte.
Der berühmte Präzedenzfall von 1401, die Rivalität zwischen Ghiberti und Brunelleschi bei dem Wettbewerb um die Gestaltung der Baptisteriumstüren, fand seine Nachfolge im Sankt Matthäus von Ghiberti und dem Heiligen Ludwig von Donatello, wobei der letztere anlässlich der Ausstellung restauriert worden ist und ganz aus der Nähe, im Detail, zu würdigen ist.
Die anderen Abteilungen beleuchten und erforschen andere charakteristische Themen, die in diesen frühen Jahren in den Vordergrund treten: Engelsdarstellungen, Reiterstandbilder, wobei zum einen der Einfluss der Skulptur auf die Malerei in großartigen Beispielen greifbar wird, wie auch immer wieder der Bezug zur Antike, im beständigen Austausch mit den römischen Modellen und ihrer ‘Christianisierung’.
Die Verbreitung der Schönheit
Die wunderschönen Madonnen-Reliefs von Luca Della Robbia und Donatello wurden oft unter Verwendung von Negativformen hergestellt und konnten damit leicht in der Werkstatt reproduziert werden, womit sie relativ günstig und erschwinglich wurden: so überrascht es nicht, dass die Erfindungen dieser Künstler nicht nur in der Stadt, sondern auch weit außerhalb von Florenz sehr populär wurden.
Die Ausstellung evoziert auch das Kirchenkonzil von 1439, das von der Medici-Familie großzügig unterstützt wurde und die Rolle der Wohltätigkeitseinrichtungen und Hospitäler als Auftraggeber und gewährt damit, einen beeindruckenden Überblick über das Leben und die Politik der Zeit.
Das Ende
Das Ende findet die Ausstellung in dem Florenz der 60er Jahre: das politische Klima hat sich gewandelt mit der Festigung der Machtposition der Medici und ihrer Verbündeten. Die Kunst folgt deren Ansprüchen und findet Verwendung als raffinierte Zelebration der neuen Elite: deren Paläste werden der neue Rahmen für Serien von Kaiserportraits, Büsten und aufwendiges Mobiliar (eine beeindruckende Vase, die einst Piero de’ Medici gehörte, als Leihgabe aus dem British Museum ), aber die experimentelle Phase, in der Erforschung und Kreativität eng verbunden waren, ist nunmehr Vergangenheit.
Ausstellungsführung
Ein geführter Besuch der Ausstellung (ca. 140 Werke) beansprucht wenigstens anderthalb Stunden und kann natürlich – und sinnvollerweise – Teil eines umfassenderen Renaissance-Rundganges in der Stadt sein. (SB)