Anna Maria Luisa de‘ Medici
Wenn Florenz so außergewöhnlich reich an Kunstschätzen ist, so verdankt die Stadt das zu einem erheblichen Teil der Kunstförderung der Familie Medici, aber im Besonderen und in letzter Instanz einer kultivierten und intelligenten Frau, die sich von der innigen Verbindung zu ihrer Familie und ihrer Heimatstadt leiten ließ: Anna Maria Luisa de’ Medici (1667-1743).
Zwischen Rheinland und Toskana
Tochter von Großherzog Cosimo III und Marguérite-Louise d’Orléans, kennt man sie in Florenz gemeinhin als die ‚Elettrice Palatina‘, die ‚Pfalzgräfin‘, also unter dem Titel, den sie nach ihrer Hochzeit mit Johann Wilhelm von der Pfalz-Neuburg im Jahr 1691 annahm. Die Ehe mit Jan Wellem war, wie es scheint, eine geglückte Ehe, die ihren Ausdruck nicht zuletzt in dem kulturell lebendigen Klima des Düsseldorfer Hofes fand, wie in dem prachtvollen Jagdschloss von Bensberg, bis hin zu unauffälligeren Spuren, wie dem Medici-Wappen am Portal der Heiliggeist-Kirche in Heidelberg. Die Ehe blieb allerdings kinderlos und so kehrte Anna Maria Luisa nach dem Tod des Gatten 1716 nach Florenz zurück, wo ihr später, nachdem ihr Bruder Gian Gastone kinderlos verstorben war, die Aufgabe zufiel den Herrschaftswechsel in der Toskana, die den Habsburg-Lothringern zugefallen war, zu begleiten.
Herrschaftswechsel in der Toskana
Die Angelegenheiten des Herrschaftswechsels, einschließlich des Schicksals der Kunst-Sammlungen, beherrschten die letzten Jahre des langen Lebens der hartnäckigen Kurfürstin und krönten in gewissem Sinne ein Lebenswerk, dass darauf ausgerichtet war, mit allen Mittel, den Ruhm der Familie zu mehren und die Erinnerung an sie wach zu halten.
Es war Gesetz und Brauch, dass in einer Situation, wie der der Toskana mit dem Aussterben der Medici, die neue Dynastie, von ihren Vorgängern auch die Kunstsammlungen übernahm, die damit auch ihrer Willkür unterworfen waren; Transport, Tausch mit anderen Sammlungen, Ausschmückung dieser oder jener Residenz, Verkauf waren Sache des Interesses, der Bedürfnisse oder einfach der Wünsche der neuen Eigentümer.
Um die Zerstreuung des Kunstsammlungen zu verhindern, entschloss sich Anna Maria Luisa eine neue Waffe zu nutzen: das Recht. Auf ihre Initiative hin wurde ein Familienpakt aufgesetzt, in dem die Mediceischen Kunstsammlungen zwar dem neuen Großherzog anvertraut wurden, aber mit der Einschränkung, dass sie auf ewig an die Stadt Florenz und die Toskana gebunden sein sollten.
Der Vertrag
Der Familienpakt, der von der Elettrice Palatina in ihrem Testament vom 5. April 1739 bestätigt wurde, trat mit ihrem Tod 1743 in Kraft und bewahrte, in der Folge, den größten Teil der berühmten und reichen Sammlungen der Dynastie Medici, die Florenz noch heute so einzigartig in der Welt machen, vor sicherer Zerstreuung.
„Die durchlauchtigste Kurfürstin lässt, gibt und überführt hiermit Seiner Königlichen Hoheit für ihn und die ihm nachfolgenden Großherzöge, alle Möbel, Gegenstände und Raritäten aus dem Erbe ihres Bruders, seiner Durchlaucht dem Großherzog, wie Galerien, Gemälde, Statuen, Bibliotheken, Schmuckstücke und andere Wertgegenstände, sowie die Heiligen Reliquien, Reliquiare und ihre Ornamente in der Kapelle des Königpalastes, die Seine Königliche Hoheit sich verpflichtet zu bewahren, unter der ausdrücklichen Bedingung, dass, weil dazu bestimmt zur Zierde des Staates zu dienen, zum Nutzen des Publikums und um die Neugier der Fremden anzuziehen, nichts entfernt und aus der Hauptstadt und dem Staat des Großherzogtums gebracht werde.“
Das Nachleben
Ihre Gestalt wurde als Symbolfigur für den Neubeginn nach dem 2. Weltkrieg gewählt, als ein Wettbewerb für ein Denkmal zu ihren Ehren ausgeschrieben wurde. Die Skulptur von Raffaello Salimbeni, der den Wettbewerb gewann, stand für lange Zeit bei den Medici-Kapellen von San Lorenzo.
Noch heute wird der 17 Februar, ihr Todestag, mit einem Kostüm-Umzug im Stadtzentrum begangen und von anderen Initiativen begleitet, um an eine außergewöhnliche Frau und ihre hochzivilisierte Botschaft zu erinnern.
Anmerkung
Nicht jeder jedoch fühlte sich gemüssigt, als die Elettrice starb, in die Bekundungen hochachtender Trauer einzustimmen. In den Jahren nach dem Tod von Jan Wellem, mit ihrer Rückkehr nach Florenz, hatte sich die Religiosität der Elettrice in stetiger Weise intensiviert, um wie schon bei ihrem Vater, bigotte Züge anzunehmen. Sicherlich auch beflügelt durch den Amoralismus und zunehmenden, geistig-körperlichen Verfall ihres Bruders Gian Gastone, zog sich Anna Maria Luisa vom Hof und aus der Stadt, in die Konventsvilla ‚La Quiete‘ zurück. So etwas wie das personifizierte schlechte Gewissen der Familie, der Stadt, . . . der Geschichte vielleicht sogar: ein Stachel im Fleisch der Gegenwart.
Als sie starb – es ging in die heisse Fase des Karnevals – wurden natürlich alle Lustbarkeiten, Maskeraden, Umzüge und ähnliches untersagt; und viele erkannten darin ihre Stringenz bis in den Tod . . . und darüber hinaus: eine notorische Spielverderberin. Doubleface.