Die Säule des heiligen Zanobius
Auf dem Florentiner Domplatz, nördlich des romanischen Baptisteriums, steht eine aus Cipollino-Marmor gearbeitete Säule, die von einem Kreuz bekrönt wird. Sie markiert den Ort eines wunderhaften Geschehens, das in der Vita des heiligen Zanobius erzählt wird. Zanobius, der zwischen spätem IV. und frühem V. Jahrhundert dokumentiert ist, gilt als einer der ersten Bischöfe von Florenz und stieg später zum Schutzpatron der Diözese und einem der wichtigsten Florentiner Heiligen auf.
Vom alten zum neuen Dom
Nach seinem Tod wurde der ehrwürdige Bischof in San Lorenzo, der damaligen Kathedrale beigesetzt. Mit der Übertragung des Kathedralstitels an die Kirche Santa Reparata aber, Vorläuferin des heutigen Florentiner Domes, wurde die Überführung seiner Überreste in die neue Kathedrale zum Bedürfnis. Am 26. Januar eines nicht genauer bestimmbaren Jahres wohl des IX. Jahrhunderts, wurden die Reliquien des Bischofs in feierlicher Prozession zur neuen Ruhestätte geleitet.
Wunderbares Missgeschick
Als man an der Nordseite des Baptisteriums vorbeizog, passierte ein Malheur: einer der frommen Träger kam ins Stolpern und der Reliquienkasten stieß gegen einen, entsprechend der Jahreszeit blätterlosen, darüber hinaus aber – so will es die Tradition – abgestorbenen Ulmenbaum. Und da geschah es: kaum war der Kasten gegen den Baum gestossen, sprossen aus den kahlen Zweigen zarte, junge Blätter hervor. Und zu allem Überfluss begannen, wie von Engels Hand berührt, die Glocken der Kirchen zu läuten. Die Revolutionierung der alten Kirchenorganisation sah sich in aller wünschenswerten Klarheit vom göttlichen Segen begleitet.
Der Baum als Bildträger
Dem Ulmenbaum war zwar ein neues, aber kein ewiges Leben beschieden. Im gewissen Sinn selber zur Reliquie geworden, soll er später Material für die Verfertigung von verschiedenen devoten Kunstwerken geliefert haben: ein noch heute in der Kirche S. Giovanni de Cavalieri aufbewahrtes Kruzifix soll darunter sein, wie auch eine dem heiligen Zanobius gewidmete gemalte Tafel, in der auch an dieses Wunder erinnert wird.
Siegreiche Säule
Auch die erinnernde Säule selber hat eine bewegte Geschichte gekannt. Diejenige, die wir heute sehen, ist mitnichten die Erste. Sie wurde ‚erst’ 1334 aufgestellt, nachdem die Vorgängerin bei der großen Überschwemmung von 1333 zu Bruch gegangen war. 1375 sah man dann die Zeit gekommen, das wunderhafte Geschehen auch inschriftlich an der Säule zu verewigen. Als 1501 im Vorfeld der Feierlichkeiten zu Ehren des Heiligen Johannes, das bekrönende Kreuz herunterstürzte, sah man das sicherlich als böses Zeichen an, ohne dass genaueres überliefert wäre. Bei allen Misslichkeiten, denen sie ausgesetzt war, hat die Säule aber ihren Platz behaupten können. Selbst die autobesessenen Boomjahre haben diesem potentiellen Verkehrshindernis nichts anhaben können. Im Gegenteil. Vielleicht ist die Zanobius-Säule vielen Florentinern erst wieder so richtig in das Bewusstsein gekommen, als sie zu einem der Argumente gegen den Verlauf der Stadtbahn über den Domplatz wurde. Der Domplatz ist inzwischen Fußgängerbereich, die Stadtbahn endet am Bahnhof und die Säule wird an jedem 26. Januar aufwendiger denn je geschmückt und gefeiert.
Matthias Feldmann